28. November 2021
Angehörige, die ihre Familienmitglieder pflegen und betreuen, erhalten neu mehr Unterstützung. Das Parlament hat am 20. Dezember 2019 das neue Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung verabschiedet. Die Regelungen haben insbesondere auch Auswirkungen auf das Obligationenrecht, das Arbeitsgesetz sowie das Erwerbsersatzgesetz. Wir haben das Wichtigste für Sie zusammengefasst.
Die neue Regelung wurde in zwei Etappen umgesetzt: Seit dem 01. Januar 2021 haben pflegende Angehörige Anspruch auf bezahlte Kurzurlaube von bis zu drei Tagen zur Betreuung kranker oder verunfallter Angehöriger. Seit dem 1. Juli 2021 können Eltern mit gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindern zudem einen bezahlten Betreuungsurlaub von 14 Wochen beziehen.
Bisher durften Eltern ihrer Arbeit bis zu drei Tagen fernbleiben, wenn sie ein krankes Kind pflegen mussten und dafür ein ärztliches Zeugnis vorlegen konnten (Art. 36 Abs. 3 aArG). Konnte eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer aufgrund der Pflegesituation zuhause die Arbeitsleistung nicht mehr erbringen, wurde der Lohn zeitlich begrenzt fortgezahlt. Dieser Anspruch galt jedoch nur für die Pflege und Betreuung von Kindern, dem Ehepartner oder der Ehepartnerin respektive innerhalb einer eingetragenen Partnerschaft. Für die Pflege der Eltern, eines Geschwisters, des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin wurde kein Lohn fortgezahlt. Auch Erwerbsersatz für Arbeitsabwesenheiten gab es bisher nicht.
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Seit dem 01. Januar 2021 erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch Lohn, wenn sie wegen einer familiären Pflegesituation nicht arbeiten können. Der Anspruch auf einen bezahlten Urlaub ist auf maximal drei Tagen befristet und darf bezogen werden, um sich um ein krankes Familienmitglied, den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin zu kümmern (Art. 329h OR, Art. 36 Abs. 3 ArG). Um eine zu hohe Anzahl Urlaubsfälle zu verhindern, wurde grundsätzlich eine Obergrenze von zehn Tagen pro Jahr eingeführt (vgl. Art. 329h OR, Art. 36 Abs. 3 und 4 ArG). Von dieser jährlichen Obergrenze ausgenommen ist die Betreuung von kranken Kindern, für welche die bisherige gesetzliche Regel zur Lohnfortzahlung bei kurzen Abwesenheiten nach Art. 324a OR anwendbar ist.
Der Begriff der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist dabei weit gefasst: Neben akut auftretender Krankheit oder einem Unfall fällt beispielsweise auch eine Behinderung darunter. Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss durch ein Arztzeugnis belegt sein und eine Betreuung durch die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer erfordern. Zu den Familienmitgliedern gehören Verwandte in auf- und absteigender Linie (d.h. Kinder, Eltern und Grosseltern) sowie Geschwister. Als Lebenspartnerin oder Lebenspartner gelten die Ehegattin, der Ehegatte, die eingetragene Partnerin, der eingetragene Partner sowie die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner, wenn sie mit der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen.
Seit dem 01. Juli 2021 können erwerbstätige Eltern neu auch einen unbezahlten Betreuungsurlaub von höchstens 14 Wochen beantragen. Dieser Anspruch gilt, wenn sie ihre minderjährigen Kinder pflegen, die gesundheitlich schwer beeinträchtigt sind (Art. 329i OR). Während dieser Zeit erhalten pflegende Eltern ein EO-Taggeld (Art. 16n EOG). Als gesundheitlich schwer beeinträchtigt gilt ein Kind, wenn eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist, der Verlauf oder der Ausgang dieser Ver-änderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist und ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht (Art. 16o EOG). Wenn Arbeitnehmende ihre Erwerbstätigkeit für die Pflege eines Kindes unterbrechen, müssen sie das mit einem Arztzeugnis legitimieren. Aus dem Zeugnis muss die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Pflegebedarf hervorgehen.
Damit ein Anspruch auf Betreuungsurlaub entsteht, gelten folgende Voraussetzungen:
Während des Betreuungsurlaubs wird eine Betreuungsentschädigung in der Höhe von maxi-mal 98 Taggeldern ausgerichtet. Da der Anspruch auf die Entschädigung auch an freien Tagen (z.B. am Samstag oder Sonntag) besteht, müssen pro fünf Arbeitstage zwei zusätzliche Taggelder ausgerichtet werden (Art. 16q EOG). Das bedeutet, dass 98 Tage entschädigt werden, aber nur 70 eigentliche Urlaubstage bezogen werden können. Das Taggeld beträgt 80 % des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das vor Beginn des Entschädigungsan-spruchs erzielt wurde, höchstens jedoch CHF 196 pro Tag (Art. 16r EOG i.V.m. Art. 16f E-OG).
Während des Betreuungsurlaubs gilt ein zeitlicher Kündigungsschutz vor Kündigung durch den Arbeitgeber, sofern die Probezeit bereits abgelaufen ist. Die Sperrfrist, während der nicht gekündigt werden darf, dauert so lange, wie der Anspruch auf den Betreuungsurlaub besteht. Sie dauert jedoch längstens sechs Monate ab dem Tag, an dem die Rahmenfrist zu laufen beginnt (Art. 336c Abs. 1 lit. cbis OR). Kündigen Arbeitgebende das Arbeitsverhältnis während der Sperrfrist, ist die Kündigung nichtig. Erfolgt die Kündigung durch die Arbeitgeberin hingegen vor dem Beginn der Sperrfrist, aber ist die Kündigungsfrist bis zum Beginn der Rahmenfrist noch nicht abgelaufen, so wird die Kündigungsfrist unterbrochen und erst nach dem Ende der Sperrfrist fortgesetzt (Art. 336c Abs. 2 OR). Wichtig zu wissen: Der Ferienanspruch einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers darf durch die Inanspruchnahme eines Betreuungsurlaubs nicht gekürzt werden (Art. 329b Abs. 3 lit. e OR).
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